Das wäre doch schonmal ein Anfang

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smile07ec
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Re: Das wäre doch schonmal ein Anfang

Beitrag von smile07ec »

Ja gooseman, dieses Kuddelmuddel trägt sicher einiges dazu bei, warum die Leute einfach nur noch genervt sind von den Masken und diesen ganzen Beschränkungen. Zu uns kommen sie ja aus ganz Deutschland und dem Rest der Welt. Ich habe quasi täglich mit ein paar tausend Fremden Kontakt, die zuhause oft völlig andere Corona-Vorgaben haben als wir hier in Bayern (Franken ;) :D ) Da ist Diskussion an der Tagesordnung :roll: Allein heute habe ich mindestens 50 Leute - teils mehrfach - gebeten, ihre Maske richtig zu tragen. Das macht langsam ziemlich agressiv.

Aber zurück zum Thema Konzerte mit Corona. Von dieser Aktion erfuhr ich heute aus dem Radio. Bin gespannt, was dabei rauskommt. Aber die Vorstellung, sich jedesmal vor einem Konzert testen lassen zu müssen, ist schon sehr seltsam und vom Aufwand her doch kaum machbar.

https://www.mdr.de/wissen/restart-neunz ... o-100.html

LG Petra
Ich denke, ich muss nach vorn gehen - wo ich noch niemals gewesen bin. Anstatt zurück, wo ich war. Winnie, The Pooh
trablu
Beiträge: 88
Registriert: Do 5. Jan 2012, 11:40

Re: Das wäre doch schonmal ein Anfang

Beitrag von trablu »

Gestern Abend war ich wieder unterwegs. Wieder in den Biergarten vom letzten Mal.
Wieder zu meiner Lieblingsbluesband vom Kiez.

Im Gegensatz zum letzten Mal Anfang August – siehe vier postings weiter hinten – traf ich auf ein verändertes Szenario.

Am Eingang musste ich, nach dem ich meinen Eintritt entrichtet hatte (2,00 EURO) am direkten Zugang zum Biergarten meine Kontaktdaten hinterlegen.
Die Variante mit den Listen an den Tischen ist nicht durchsetzbar gewesen, so der Mitarbeiter der Gastronomie.
Es wurden bewusst Kontaktdaten unvollständig oder klar ersichtlich falsch eingetragen („Donald Duck, Phantomiasweg 007, 01002 Entenhausen“). Und es wurden ganze Listen von den Klemmbrettern entfernt. Ob auch die dazugehörigen Kugelschreiber gestohlen wurden, weiß ich nicht.

Die Stühle an den Biertischen wurden von 10 auf vier reduziert, die Anzahl der Tische unter Einbehaltung des Sicherheitsabstandes erhöht.

Von Veranstalterseite wurde alles getan, um das Publikum im Rahmen der aktuellen gesetzlichen Verordnungen zu schützen.

Die Reisebusse mit den älteren Herrschaften waren nicht da. Kein Wunder, die Veranstaltung ging von 18:00 – 21:00 Uhr, und zu dieser Zeit gibt es in den Seniorenheimen ja Abendbrot und es finden die Spieleabende statt.
Ich traf also auf ein Publikum bis ca. Mitte 60 – maskenlos -, dass sich angeregt (ohne schale Coronawitze) unterhielt und Musik hörte.

Interessant war eine Unterhaltung an „meinem Tisch“, in der es um Konzerttourneen und deren Nichtdurchführbarkeit bei Musikerinnen und Musikern aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland in Deutschland im kommenden Jahr ging.

Die Tourneen werden in einem Zeitfenster von bis zu einem Jahr vor deren Start geplant und gebucht. Vielfach fließt auch schon Geld - in Form von Gehältern und Vorkassen an die beteiligten Subunternehmer und Veranstaltungsorte. Allgemeines Schmier- und Schwarzgeld nicht mit eingerechnet.
So sind die konkreten Abläufe der Tourneen schon weit vor deren Start nahezu unwiderruflich festgelegt.
Als Unwägbarkeit wird höchstens die Erkrankung oder der Tod der Künstlerin oder des Künstlers mit bedacht.

Und jetzt kommt Corona.

In der Europäischen Union (aktuell 27 Mitgliedsstaaten) gibt es keine einheitlichen Corona-Sicherheitsbestimmungen.
Das heißt, wenn die Tournee im ersten Land beginnt, muss im schlimmsten Fall zunächst eine vierzehntägige Quarantäne nach der Einreise mit eingeplant werden. Für alle an der Tournee beteiligten.
Stillstand in Land 1. Geplant sind 3 Konzerte.
Weiter nach Land 2. Für die nächsten 5 Konzerte. Und hier vielleicht eine Woche Quarantäne.

Und dann macht Land 3 aufgrund steigender Infektionszahlen in den Nachbarländern 2, 4 und 5 seine Grenzen für 4 Wochen dicht.
Was passiert also mit den 4 Konzerten, die in Land 3 stattfinden sollen? Und mit den jeweils 2 Konzerten in den Ländern 4 und 5, die aus Land 2 geografisch nicht direkt erreichbar sind?

In Land 1 sind Konzerte mit maximal 2.000 Zuschauern erlaubt. Um hier auf rentable Umsätze zu kommen, müssen statt der 3 Konzerte vielleicht 12 absolviert werden.
In Land 2 beträgt die Höchstzuschauerzahl 4.000. Hier müssen es statt 5 dann 20 Konzerte werden.
In Land 3 ...

Stehen in den einzelnen Ländern die dann erforderlichen Auftrittskapazitäten überhaupt zur Verfügung?

Wie bzw. von wem soll der gesamte Tourneetroß unter diesen Bedingungen finanziert werden? Von den Käufern der Eintrittskarten? Zu welchen Konditionen?
Wer finanziert die Corona-Sicherheitsmaßnahmen vor Ort? Wieder die Käufer der Eintrittskarten?
Sind dann Eintrittspreise von – sagen wir 80,00 EURO – 400,00 EURO – haltbar?
12 Konzerte sind ja nicht in den ursprünglich geplanten 3 Tagen durchführbar. Und 20 Konzerte auch nicht in 5 Tagen.
Auch nicht, wenn man die Konzertlänge von 120 auf 45 Minuten eindampft.
Wir reden hier nur von den Hauptacts. Gegebenenfalls schon gebuchte Vorgruppen müssten wieder ausgeladen werden. Da fällt dann wohl eine (gegebenenfalls nicht unerhebliche) Ausfallgage an.

Konzerte sind rein kommerzielle Veranstaltungen. Vergessen wir mal das ganze künstlerische „Geschwafel“. Hier soll und müssen die Gelder wieder reingeholt werden, die durch den kontinuierlich sinkenden Umsatz im Tonträgerbereich wegfallen.

Nochmal: Wie soll das ganze also künftig finanziert und damit durchführbar gemacht werden?

Die Käufer der Eintrittskarten sind verunsichert. Zu Recht.
Die Frage eines echten Verbraucherschutzes bei nicht stattfindenden Veranstaltungen wird also immer dringlicher. Wie kriege ich mein Eintrittsgeld – nehmen wir 200,00 EURO als Mittelwert – wieder, wenn die Veranstaltung nicht stattfindet?
Was passiert, wenn ich meinen Gutschein nicht eingelöst bekomme, weil ich a) keine Eintrittskarte eines anderen Künstlers des Veranstalters (als meinem Vertragspartner) finde oder b) mein Vertragspartner Insolvenz anmeldet, bevor (!) die Eintrittskarte über den Gutschein durch ein Ersatzkonzert abgegolten ist?

Fragen, die uns wohl noch eine ganze Zeit beschäftigen werden.

Deutsche Künstlerinnen und Künstler sind bei Tourneen durch Deutschland von diesem Szenario wohl nicht betroffen.
Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Marius Müller-Westernhagen können also 2021 auf Tour gehen.
Und Konzerten meiner Lieblingsbluesband vom Kiez steht auch nichts im Wege.

trablu
gooseman
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Registriert: Mo 12. Nov 2012, 09:53

Re: Das wäre doch schonmal ein Anfang

Beitrag von gooseman »

Wunderbar informativer Beitrag!
Es ist leider so, dass sich die EU immer noch nicht auf eine einheitliche Linie festgelegt hat. Wahrscheinlich wird sie das nie können. Ich frage mich dann immer, wieso man so viel Geld für europäische Pandemiepläne ausgegeben hat und dort im Praxisfall noch nicht einmal reinschaut. In der Ruhe läge sicherlich mehr Kraft.
Für die "großen" Künstler ist das sicherlich verschmerzbar. Aber die ganzen Agenturen, die lokalen Veranstalter, die Eventlocations.... das ist schon sehr bitter.
Am Schlimmste finde ich aber - nach wie vor - das viele, sehr viele gute kleine Acts, nicht mehr beachtet werden. Hier müsste es auch einen riesigen Rettungsschirm geben. Hier fehlt aber die Lobby. Und wer nicht laut genug schreit, der fällt hinten runter. Wir werden uns noch wundern, wer alles nicht mehr da ist, wenn die Pandemie vorbei ist.
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